Was ,,Dynamisches, raumorientiertes, athletisches Longieren“ bewirken kann.
18. November 2019Träumen Sie nicht auch von einem schönen, gesunden, entspannten, kraftvollen und vor allem sicheren Pferd? – Von einem Partner und Freund, mit dem Sie sich gemeinsam weiterentwickeln und dabei viel Freude erleben können?
Ich erkläre Ihnen hier gerne, wie Sie das vor und neben der Arbeit unter dem Sattel durch dynamisches, raumorientiertes. athletisches Longieren erreichen können. Begleiten Sie mich auf einer Entdeckungsreise, die sie möglicherweise staunen lässt. Ich zeige einige herausragende Erfolgsgeschichten durch Longieren auf. Es ist die Königsklasse der Bodenarbeit, wenn man es mit Herz und viel Pferdeverstand praktiziert.
So viele Trainer schicken ihre Schüler mit diversen Longiertechniken zwar kurzfristig auf gute Wege. Diese Wege sind aber so gut wie immer auch sehr begrenzt. Ich zeige hier den Weg an der Longe mit Pferden auf, der nahezu keine Grenzen kennt – der alles möglich macht – und den man auf jedem sportlichen Level so betreiben kann, dass es in der Entwicklung des Pferdes und der eigenen immer weiter damit gehen kann – ohne Sackgasse.
Vom Jungpferd an
Dynamisches, raumorientiertes, athletisches Longieren hilft uns schon von Beginn an bei der Vorbereitung eines Jungpferdes auf seine Aufgaben als gesundes Dressur- Spring- und Vielseitigkeitspferd, als Voltigierpferd, als Therapiepferd oder als Kutschpferd. Der Aufbau einer feinen Beziehung zum Pferd und parallel seine gute Erziehung ist dabei das erste Ziel. Mind. 2-3 Monate sollte man ein junges Pferd an der Longe soweit kräftigend vorbereiten, das es beim Anreiten das erste Reitergewicht schon sehr gut tragen kann. Das ist die nachhaltigste und schonendste Art ein Pferd anzureiten – was nicht zuletzt Reitergrößen wie Alois Podhaysky schon beschrieben haben. Sinnvoll ist das aber nur mit ausreichendem Know-How! Longieren ist eben nicht gleich Longieren!!
Dynamisch, raumorientiert heißt dabei, dass wir nicht nur statisch kreisrund longieren, sondern uns aus vielerlei Gründen auch dynamisch im Raum bewegen. Vor allem um Koordination und Beweglichkeit zu schulen und die Verbundenheit zu stärken. Langeweile wird von Beginn an durch Variation vermieden. Athletisch heiß, dass gezielt an Kraftaufbau und Ausdauer gearbeitet wird.
Es beginnt nach dem Gewöhnen an die Hilfsmittel und an das Longieren an sich – bis hierher noch ohne Hilfszügel. Mit dem Trainieren der Dehnungshaltung, also auch der Anlehnung spielen dann Hilfszügel schon eine zentrale unterstützende Rolle. Das ist ja noch vielen Pferdemenschen bekannt.
Was gutes Longiertraining alles bewirken kann
Kaum jemand aber kennt die grandiosen Möglichkeiten und Variationen der begleitenden Ausbildung von Dressur-, Vielseitigkeits-, Spring- und Voltigierpferden von Klasse E-S – nicht nur in Dehnungshaltug, sondern bis in eine aufgerichtete Versammlung an der Longe. Genauso profitieren Pferde die für Therapie- und Reitunterricht eingesetzt werden – wenn man nur weiß wie!
Wir trainieren unsere Pferde parallel zum Reiten mittlerweile bis zu 50 % effizient und sehr effektiv an der Longe. Longentraining spielt eine echt zentrale Rolle bei uns.
Die 8 Elemente erfüllten Reitens sind dabei immer unser roter Faden.
Dynamisches, raumorientiertes, athletisches Longieren hilft auch wunderbar beim schonenden Wiederaufbau von rekonvaleszenten Pferden nach Verletzung oder Krankheit.
Jacuzzi zum Beispiel wurde uns in einem körperlich sehr schlechten Zustand anvertraut. Wegen Verletzungen und winterlichen Reitplatzbedingungen konnte er längere Zeit nicht trainiert werden, was neben schwacher Bemuskelung auch enorme Verspannungen nach sich zog. Mit ihm haben wir alle Tasten auf dem Klavier der Möglichkeiten an der Longe gespielt – mit großartigem Erfolg in sehr kurzer Zeit.
Es begann wie bei jedem Pferd mit dem Training der Dehnungshaltung in Schritt und Trab. Vorsichtig wurden Takt und Losgelassenheit dabei entwickelt bzw. wiederbelebt.
Es kamen dann noch kräftigende und die Koordination schulende Übungen dazu. Dafür haben wir uns unter anderem ein kleines Übungsgelände gebaut, auf dem auch an der Longe ein Pferd Bergauf und bergab bewegt werden kann. Auch kleinere Sprünge werden integriert.
Nanini ist ein weiters Pferd, dass wir in dieser Art zu longieren muskulär markant aufgebaut haben.
Koordination und Körpersprache sind von entscheidender Bedeutung, weil man sonst ein Pferd gar nicht sicher führen könnte. Es erklärt sich hier, was die Begriffe dynamisch und raumorientiert bedeuten.
Nach entsprechender Grundfestigung der Muskulatur kann man dann weiter auf großen Linien – dann schon mit höher eingestellten Hilfszügeln in guter Anlehnung und schon in Aufrichtung longieren. Hier schön zu sehen im Galopp.
Arbeit mit Cavaletti und Sprüngen
Ein wesentlicher Bestandteil unseres Trainings ist die Arbeit mit Cavaletti. Im Schritt und im Trab aktivieren diese unheimlich wirkungsvoll die Aktion der Beine, können den Rücken lösen und fördern ebenfalls die Koordination.
Der nächste Schritt zu einem umfassenden Bewegungsangebot war für Jacuzzi das Springen an der Longe.
Schritt für Schritt aufgebaut, ohne dabei das Vertrauen des Pferdes durch Überforderung auf’s Spiel zu setzen waren bald schön kontrollierte Sprünge möglich. Neben dem Freispringen ist dies noch eine fabelhafte Ergänzung, weil man das Pferd sehr gut kontrolliert heranführen kann.
Alle unsere Trainingspferde springen wir auch an der Longe, z.B in Sprunggymnastikreihen.
Unterstützung an der Longe bis Klasse S
Dafür steht unser Luxor, der in Lektionen bis Klasse S ausgebildet ist. Er wird ca. 50% seines Trainings an der Longe gearbeitet. Das gibt dem Pferd einerseits lebendige Abwechslung, andererseits sehr schonende Kräftigung – weil eben reiterlos. Gerade seine letzten Entwicklungsschritte wurden durch die Longenarbeit in der Qualität erst möglich.
Das beste daran ist, dass Luxor zudem ein superfreundliches, sensibles Therapiepferd ist. Er ist total beliebt bei allen Therapeutinnen bei uns am Hof und bei den Klienten sowieso.
Und Reitunterricht ist mit ihm immer das absolute Highlight für all unsere Schülerinnen.
Ein anderes Beispiel ist unser Capolino, ein S-Springpferd, dass aber in den letzten zwei Jahren fast gar nicht geritten, sondern von einem guten Freund von uns nahezu ausschließlich durch Training an der Longe so fit gehalten wurde, wie er heute ist.
Er zeichnet sich durch außerordentlich sportliche Bemuskelung aus. Das zeigt sich von der Hinterhand mit kräftigen Hosen, einer wunderbar rund bemuskelten Kruppe-Hüft Partie über einen kräftigen Rücken und straffen Bauch über die kräftige Schulter bis in den mächtigen Hals.
Das diese Muskulatur nicht nur Show, sondern auch enorm leistungsfähig ist, zeigt eine Aufnahme vom letzten Freispringen über einen Ochser von 1,55m und 1,2 Meter Breite – eine absolute Augenweide.
Wir setzten auch besondere Bodenelemente ein, die an der Longe zu noch mehr Aktion anregen. Mit dieser Kräftigung und Koordinationsschulung werden Pferde gleichzeitig auch sehr geschmeidig. Sehr anschaulich zeigt uns hier Pedro – dem Pferd von sehr guten Freuden von uns – , was diese Arbeit in seinem Körper positives bewirkt. Man sieht deutlich den Krafteinsatz von Pedro – bei gleichzeitig sehr geschmeidiger Bewegung. Man sieht das hier wirklich sportliches Training passiert.
Die Art, wie Pedro zum Beispiel ungenaues Herankommen an die Hindernisse korrigiert zeugt von seiner Koordinatiosfähigkeit – wunderbar anzusehen.
Diesen Schwung, diese fabelhafte Dynamik kann man dann im Sattel genießen.
Longieren Über Vielseitigkeitshindernisse
Und noch eine Möglichkeit gibt es: Als Vorbereitung für Springen im Gelände longieren wir auch Pferde über Vielseitigkeitshindernisse. Das hilft den Pferden einerseits dabei Erfahrungen noch ohne Reiter zu machen. Andererseits gibt es sehr viel Vertrauen, wenn man sieht, dass sein Pferd die Hindernisse gut springen kann, ehe man sich selbst im Sattel an die Hürden heranwagt.
Hier sehen wir noch einmal Jacuzzi bei seinen ersten Versuchen, bei denen er am Anfang noch versucht, es irgendwie hinter sich zu bringen. Meist springen die Pferde bei den ersten Versuchen sicherheitshalber viel zu hoch. Gut wenn sie dass noch ohne Reiter üben können.
Nach ganz kurzer Zeit schon sieht man die Fortschritte in seiner effizienten Einteilung des Sprunges.
Und hier noch einige Impressionen von dieser Art des Longentrainings.
Capolino wurde ebenfalls an der Longe zuerst noch reiterlos an die Hindernisse gewöhnt. Er konnte Irmi in der Folge unter dem Sattel eine riesen Freude machen, weil er Sie mit einer souveränen Sicherheit über die massiven Hürden getragen hat. Sie konnte es später genießen mit ihm im wahrsten Sinne des Wortes darüber zu fliegen.
Wenn uns die langjährige Erfahrung noch etwas gelernt hat, dann, dass es keinen Unterschied in der Herangehensweise bei kaltblütigen, kalibrigen Pferden macht. Ich bin immer noch erstaunt, wie z.B. Noriker nicht minder sensibel sind und genauso bemerkenswert vom Longieren profitieren. Hier im Bild die Stute Tennesee. Durch dynamisches, raumorientiertes, athletisches Longieren konnte sie enorm erfolgreich für ihre Aufgabe als Voltigierpferd verbessernd gymnastiziert werden. Gleiches gilt natürlich für Haflinger, Ponys und viele andere Pferderassen.
Arbeit mit Hilfszügeln
Wir arbeiten dabei je nach Bedarf und Sinnhaftigkeit genauso mit, als auch ohne Hilfszügel. Hier stellen wir uns ganz klar gegen moderne Philosophien die Hilfszügel generell schlecht machen und stellen uns hinter profunde, klassische Ausbildung. Diese entstand empirisch – also durch Erfahrung – über Jahrhunderte zur schonenden, nachhaltigen Entwicklung von Reitpferden.
In der Hauptsache verwenden wir zur Entfaltung der Potentiale eines Pferdes einfache Ausbinder, die das Pferd sowohl von Dehnungshaltung bis zu einem hohen Grad an Versammlung unterstützen.
Darüber hinaus greifen wir auch auf eine Idee zurück, die schon 1790 vom Portugiesen Manoel Carlos de Andrade in seinem Buch beschrieben wurde – lassen Sie es mich den Titel des Buches mal frei übersetzen mit: „Vom Licht der freien und edlen Reitkunst“. Bekannt geworden unter dem Begriff „spanischer Reiter“ ist dieses Hilfsmittel etwas später in der Reitgeschichte unter anderem durch Ernst Friedrich Seidler 1846 in seinem Buch „Die Dressur diffiziler Pferde“. Er war Schüler bei Max von Weyrother an der spanischen Hofreitschule und später selbst Stallmeister der königlich, preußischen Lehreskadron. Auch von Nuno Oliveira, dem berühmten portugiesischen Reiter des letzten Jahrhunderts, wurde dieses Mittel zur Ausbildung an der Longe empfohlen. Siehe dazu sein Buch: „Ratschläge eines alten Reiters an junge Reiter“.
Es ist ein Hilfsmittel, das es erlaubt die Ausbinder sogar über dem Wiederrist ansetzen zu lassen. Es ersetzt beim Pferd an der Longe eine ruhige, federnde Reiterhand. Es gibt die passende Anlehnung ca. in dem Winkel, der ansonsten nur durch eine Reiterhand entsteht.
Wie kaum ein anderes Hilfsmittel darf es aber nur fachkundig und vor allem nur sehr dosiert eingesetzt werden. Auch setzten wir es nicht bei jedem Pferd ein – es muss schon Sinn machen.
Seit wir es erfolgreichst einsetzen nennen wir dieses komplett in Vergessenheit geratene Hilfsmittel, den „Stütz“. Benannt nach jenem erfahrenem Pferdemenschen, der die Anwendung dieses Mittels jahrzehntelang zu feiner Perfektion entwickelt hat.
Er hat uns dieses Wissen in unzähligen Stunden des Erfahrungsaustausches weitergegeben. Er selbst erfuhr von diesem Hilfsmittel von seinem Großvater in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieser wiederum nahm es aus seiner Zeit in der preußischen Kavallerie in den 1910er Jahren mit nach Hause.
Der „Stütz“
Dieser „Stütz“ nun kann schon im Schritt phasenweise angewendet werden. Er gibt dem Pferd wie durch Zügel die Form, die ein schönes Schreiten ermöglicht. Genauso dann im Trab. An der Stelle sei erwähnt, dass die Hauptkriterien jene der klassischen Reitlehre sind und bleiben. Takt, Losgelassenheit, Schwung und Anlehnung sind immer anzustreben. Was in diesen Aufnahmen ebenfalls schön zu sehen ist, dass das Genick definitiv der höchste Punkt ist und die Nase des Pferdes vor oder in der Senkrechten liegt. Die Elastizität im Aufbau gleicht dabei der weichen, federnden aber ruhigen, stabilen Hand. Ohne einem gewissem Maß an Impulsion ist diese Arbeit übrigens auch nicht denkbar.
Die Variablen in der Anwendung sind der Ausbildungsstand und die Tagesverfassung des Pferdes, Gangart, Tempo, Höhe und Länge der Hilfszügel – besonders auch die zeitliche Länge -bzw. vielmehr die Kürze der Übungsrepriesen und den Pausen dazwischen.
Noch einmal möchte ich wiederholen: Fehlangewendete Hilfszügel jedweder Art können missbräuchlich oder unerfahren angewendet katastrophale Wirkung auf das Pferd haben – also bitte bei Unerfahrenheit immer einen fachkundigen Trainer zu Rate ziehen!
An eines wollen wir bei dieser Arbeit immer denken:
Respekt vor dem Lebewesen Pferd
Alles beginnt, wird begleitet und endet mit achtsamer, respektvoller Verbundenheit zu den uns anvertrauten Pferden – diesen unglaublich wertvollen Lebewesen für uns und unsere eigene Entwicklung als Mensch. Geben wir immer Acht auf ihre Bedürfnisse in Haltung, Umgang und Pflege – sie werden es uns reich danken.
Sie sehen nun: Longieren ist nicht gleich Longieren. Zwischen Longieren und ein Pferd planlos im Kreis laufen zu lassen liegen ganze Welten. Aber ACHTUNG: Das was hier kurz aufgezeigt wurde war nur, was alles möglich ist. Gedeih und Verderb liegen wie so oft in der Arbeit mit Pferden sehr knapp nebeneinander. Einfach nur nachmachen führt mit Sicherheit zu Misserfolg oder schlimmstenfalls zu Schaden an Pferd oder Mensch. Nur bei fachgerechter, längerfristiger Schulung sind Erfolge möglich.
Habe ich Sie nun neugierig gemacht auf dynamisches, raumorientiertes, athletisches Longieren? Wollen Sie jetzt genauso die wunderbaren Möglichkeiten des Longierens lernen und für ihr Pferd so nützen, um damit seine Koordination, Kraft, Ausdruck, Stärke – überhaupt seine ganze Gesundheit erfüllend zu verbessern? – Dabei noch durch klaren Umgang die Verbundenheit zu ihrem Pferd vertiefen?
Dann finden Sie uns unter fulfilled-horsemanship.at. Kontaktieren Sie uns und vereinbaren wir Unterricht, Training, Kurse oder Vorträge zu dem Thema – gerne auch Vorort bei Ihnen im Reitstall. Ich freue mich auf Sie und auf ihr Pferd. Erfüllende Momente werden sich einstellen, weil Longieren – klassisch orientiert – einfach die Königsdisziplin der Bodenarbeit ist.
Ihr Alexander Kronsteiner
Fulfilled Horsemanship